„Heut’ tanzen alle Puppen – macht auf der Bühne Licht!“

Sind wir mutig genug?

Entweichen wir unserer Komfortzone?

Inwiefern wird uns das Experiment verändern?

 

Angesichts der neuen Aufgabe unseres Stotterexperiments machten wir uns viele Gedanken: Wie werden die Leute reagieren? Werden wir mutig genug sein, alle uns gesetzten Aufgaben durchzuführen? Ein Kribbeln im Bauch machte sich breit.

 

Unter welchen Umständen will man denn in der Öffentlichkeit schon negativ auffallen? Verstecken wir uns nicht tagtäglich in der kuscheligen Ecke, in der wir uns in Sicherheit wägen?! Wir huschen über die Straßen, den Blick nach unten gerichtet. Jemand Fremdem ein Lächeln zu schenken, das nennen wir mutig.

 

Für unser Stotterexperiment sollte das jedoch nicht reichen. Nein, richtig auffallen sollten wir; manch einer wird es boshaft „zum Affen machen“ nennen. Uns einmal nicht ganz so ernst nehmen, lautete das Ziel.

Nun gut, wir fanden keine plausible Erklärung dafür, warum wir es nicht tun sollten und legten los.

 

Für unsere erste Aufgabe brauchten wir nicht viel. Wir nahmen Aufstellung – stellten uns auf die Brandenburger Straße in Potsdam- der Broadway für unseren Stotterblog -und sangen gemeinsam die Lieder, die uns spontan einfielen. Schnell hatten wir sowohl Freude an der Aufgabe als auch erste Zuschauer gefunden, also wurden wir mutiger. Ein mehrstimmiger Kanon zu dem Lied „Lollipop“ krönte schließlich unsere Gesangseinlage. Die Reaktion unserer Mitmenschen ließ alle Zweifel des Anfangs verfliegen. Verwundert schauten sich zunächst alle um, ein Großteil der Leute blieb sogar stehen und hörte zu. Vielleicht hielten sie uns auch für berühmte Straßenmusikanten, oder sie waren einfach froh, einmal etwas anderes als grölende Fußballfans zu hören.

Die Reaktion auf unsere erste Aufgabe überraschte uns, mit solch positiver Resonanz hatten wir nicht gerechnet! Nun  hatten wir Blut geleckt und freuten uns auf Aufgabe 2.

 IMG-20160609-WA0004

Äfft man in der Öffentlichkeit allerdings einen Clown nach, scheinen die meisten Leute irritiert und wechseln schnell die Straßenseite. Obwohl wir uns auf die Aufgabe 2 freuten, stießen wir doch auch schnell an unsere eigenen Grenzen.  Bevor es losging, öffnete AZ die Pforten ihres Kostümfundus’. (Wozu so eine Mitgliedschaft im Karnevalsverein  nützlich sein kann :D). Wir wollten es uns nicht so leicht machen: In einer Gruppe verkleidet durch die Straßen zu laufen ist schließlich nur halb so schwer wie ganz allein im Kostüm dazustehen. Es musste also jeder einmal allein als Clown, als Bauarbeiter mit Bart und als Leopard an der Spree entlang marschieren und Luftballons verschenken. Und schon waren wir nicht mehr ganz so mutig. Wir fanden es zunächst unheimlich schwierig, uns überhaupt zu überwinden, im Kostüm allein aus dem Auto zu steigen. Die meisten Menschen reagierten auch sehr irritiert; fast niemand wollte unsere mühevoll aufgepusteten Luftballons haben. Um ehrlich  zu sein, konnten wir nach einigen Minuten, den Drang, zurück zu den anderen zu flüchten, nicht mehr unterdrücken. Diese Aufgabe war schwieriger als gedacht.

 

Langweilig sollte es auch bei Aufgabe drei nicht werden. Wir wollten ein Gedicht laut und mit voller Überzeugung auf einem großen Platz vortragen. Es war ein grauer Tag und so beschlossen wir, den Text über Witwe Bolte auszuwählen ( Wer Interesse hat, kann sich selbst einmal prüfen. Der Text ist hier verlinkt: http://www.wilhelm-busch-seiten.de/werke/maxundmoritz/streich2.html) und mit verteilten Rollen unterschiedlichen Dialekten zu rezitieren, um unseren Mitmenschen vielleicht auch ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Wir hatten großen Spaß bei der Durchführung dieser Aufgabe. Na klar drehten sich die Leute nach uns um, tuschelten, oder guckten genervt und zu Beginn war es nicht leicht, den Text überzeugend vorzutragen. Aber schnell fanden wir uns in unsere Rollen ein und erhielten von einigen  nach Ende unserer „Vorstellung“ sogar Applaus! Manchmal lohnt es sich eben doch, mutig zu sein.

 

Lässig läuft eine Person über die Straße, sie hat Kopfhörer im Ohr und scheint zu telefonieren. Doch auf einmal fängt sie lautstark an zu diskutieren, läuft rot an, Beschimpfungen und Anschuldigungen kommen hinzu. Ja, so ungefähr müssen die Leute uns bei Durchführung der Aufgabe 4 wahrgenommen haben. Mit Kopfhörern im Ohr ein Streitgespräch führen. Es tat echt gut, auf diese Art und Weise mal Dampf abzulassen.  Da war es einem fasst gleich, dass die Leute unentwegt gafften. Zum Teil drehten sie sich noch um, nachdem sie schon vorbeigelaufen waren. Andere wollten nichts verpassen und versuchten angestrengt, alles zu hören und trotzdem so zu tun, als interessiere sie das Drama gar nicht. Wir haben gemerkt, dass uns diese Aufgabe deutlich leichter fiel, weil man selbst die Reaktion der anderen Menschen im Moment des Geschehens gar nicht komplett mitbekommen hat und irgendwie gaben die Kopfhörer und die Situation des Telefonierens, selbst wenn es gespielt war, Sicherheit. Im Vorfeld der Aufgabe taten sich aber auch einige Fragen auf: Tun wir nur so, oder telefonieren wir wirklich? Kann ich meine Hemmungen fallen lassen und so eskalieren, dass es echt wirkt?

 

Im Prinzip hatten wir bei Aufgabe 5 zunächst nur ein Problem: WO zum Teufel bekommen wir nun ein Megafon her?! Wir fanden niemanden, der ein Megafon besitzt und rüsteten schließlich um: Ein Mikrofon mit Verstärker war nun unser Mittel der Wahl. Da wir bei Aufgabe 1 schon so viele gute Erfahrungen gemacht hatten, hatten wir nun auch vor Aufgabe 5 keine Angst mehr, wenngleich unser Gesang nun durch die gesamte Straße schallen und nicht nur für die nähesten Leute zu hören sein sollte.

Und schon sangen wir „Alle meine Entchen“. Zunächst schauten die meisten Leute neugierig, wahrscheinlich erwarteten sie wieder berühmte Straßenmusiker. Wir konnten unser Lachen kaum zurück halten. Nachdem sie unser Lied jedoch genauer hörten, wendeten sich die meisten kopfschüttelnd ab. Einigen Kindern zauberten wir mit unserem Lied ein Lachen ins Gesicht und sie sangen begeistert mit. Es interessierte uns, wie die Leute wohl reagieren würden, wenn wir kein Kinderlied singen würden und wir stimmten einen bekannten Pop-Hit an. Und siehe da: Einige blieben stehen und schauten uns zu. Eine ältere Dame ließ uns ein wenig Geld da. Als wir erneut „Alle meine Entchen“ sangen, flüchteten unsere Zuschauer. Das hieß dann wohl Feierabend für uns.

 IMG-20160609-WA0005

Ganz ehrlich: SO schlimm ist das alles gar nicht. Die größte Schwierigkeit ist, seine Hemmungen zu überwinden, aber sobald man einmal drin ist, schwindet die Angst. Die Durchführung der Aufgabe in der Gruppe ist immer angenehmer als allein. Für Aufgabe 2 und 4 mussten wir uns deshalb am meisten überwinden.

Die Mut- und Auffälligkeitsübungen waren eine Erfahrung wert, noch einmal würden wir sie allerdings nicht durchführen.

 

Mutig sein, dass muss man lernen. Aller Anfang ist schwer.

 

LKS, LM, AZ und ALM

4 thoughts on “„Heut’ tanzen alle Puppen – macht auf der Bühne Licht!“”

  1. Warum bin ich nicht selbst darauf gekommen. „Land der Dichter und Denker“ schreit sich der Mob die Argumente tot und ich komme mit nem Text über einen Vogel, der im neuseeländischen Dschungel alles tut, um auszusterben und die Evolution wischt ihm eins aus, indem es den Menschen noch schnell vorschickt. Der dann einen wunderbaren Schmähtext verfasst und keiner in der Bahnhofspassage in Potsdam mag auch nur linde lächeln darüber und ihr nehmt den Busch und der Rest unserer kleinen Zwangsblogeintragsgemeinschaft nimmt den Goethe. Und ich kann gar nicht schimpfen, weil beide wunderbar sind. Und jetzt weiß ich nicht mehr, wo ich hin wollte und gehe summend schlafen „dieses kribbeln im bauch, das man nie mehr vergisst“ … wow, das ist ein neuer Tiefpunkt. Gute Nacht.

  2. Wunderbar geschrieben – man ist sofort dabei. Sie scheinen ja gar nicht so schlecht zu singen (sofern es das richtige Lied ist) 😉
    Toll, dass Sie sich überwunden haben – die letzte Aufgabe müsste Ihnen ja nun sehr einfach fallen.

Schreibe einen Kommentar