Jetzt geht es also los – in dieser Woche haben wir endlich einen Termin gefunden, uns den Aufgaben gestellt und versucht, den inneren Schweinehund auf Abstand zu halten um mit Potsdams Sprechfreude auf Tuchfühlung zu gehen und loszuschnacken, loszuquatschen, loszuplauschen. Schnell wurde uns klar, dass wir uns in der Planungsphase doch noch nicht so recht in die Situationen einfühlen konnten und deshalb mit einigen Problemen zu kämpfen hatten.
Aber lest selbst:
1. In einem Laden andere Kunden nach einer Empfehlung fragen
Verraten uns Supermarkt-Kunden ihre Leibspeise?
Schon bei der ersten Aufgabe zeigte sich: Je natürlicher die Situation, desto leichter fiel uns, mit Fremden zu plaudern.
Mit der tatsächlichen Absicht, den schmackhaftesten Käse der Theke für den eigenen Kühlschrank zu erwischen, gelingt dies einem dann mithilfe der Supermarkt-Feinschmecker leichter. Aber uns nahm man wohl doch nicht so ganz ab, dass wir uns den guten Käse, importiert aus der Grande Nation, für den nicht gerade schlappen Preis leisten können. Supermarkt-Kunden mit einem „Moin, sind die Erdbeeren auch schon süß und der Spargel auch nicht zu holzig?“ zu überfallen, ist dementsprechend auch etwas schwieriger, als eine ältere Dame nach ihrem Lieblings-Joghurt zu fragen, wenn man ihr doch auch schon half, ihn aus dem Regal zu angeln. Hier hat uns vielleicht auch die Muße der alten Dame zugespielt. Ebenso erging es uns in einem Buchladen: Wer Zeit hat, sich durch den Wühl-Tisch zu arbeiten, wird einem auch eher seinen liebsten Reiseführer ans Herz legen. (AJ)
2. In der Mensa jemanden aus der Schlange fragen, was er isst
Es ist uns doch sicher allen schon mal passiert: Da steht man in der Mensa vor der Essenausgabe und hat sich immer noch nicht entscheiden können, welches Gericht man heute zum Mittagessen wählen soll. Hinter einem werden die Kommilitonen in der Schlange langsam unruhig, auch das Personal ist nicht angetan… Die Lösung: einfach möglichst viele der Mit-Auf-Das-Essen-Wartenden interviewen, was denn heute ihr Gericht der Wahl sei. Aber dann bloß nicht verquatschen, sonst steht man am Ende trotzdem wieder planlos vor der Theke. Wir fanden diese Übung vor allem aufgrund ihrer Natürlichkeit sinnvoll, denn wir wollten ja alle tatsächlich ein Essen kaufen. Viele Leute waren in Gruppen unterwegs, was die Schwierigkeit erhöhte – da musste man sich schon mehr überwinden. Doch es entwickelte sich manch nettes Gespräch über die Gräten im Mensafisch. Und unsere Mitstudierenden anzusprechen fiel uns auf jeden Fall leichter als das Gespräch in einer Fußgängerzone zu suchen. (SE)
3. Einen Hundebesitzer nach Namen und Alter des Hundes fragen
An scheinbar jedem anderen sonnigen Tag scheint die Potsdamer Innenstadt nur so von Hundebesitzern zu wimmeln – nur an dem von uns für diese Aufgabe erkorenen Tag mussten wir die vierbeinigen Freunde tatsächlich suchen! Auf unserem Streifzug durch die Fußgängerzonen konnten wir schließlich einige Exemplare entdecken, doch das brachte uns zur nächsten Schwierigkeit: einige waren sehr in Eile, andere ins Gespräch vertieft, andere schienen schlichtweg unsympathisch. Was nun? Erst nach einigen Minuten konnten wir uns überwinden und sprachen einen Mann an, der an einem Buchladen in seine Lektüre vertieft war, ein kleiner Hund treu zu seinen Füßen. Zunächst schien er verwundert, gab dann aber gern Auskunft über Rasse, Name und Alter des Hundes. Nachdem das Hündchen noch ausgiebig Streicheleinheiten von uns bekommen hatte, bedankten wir uns. Ein Anfang war gemacht. Es fiel uns im Nachhinein tatsächlich auch leichter als einige der anderen Aufgaben, da die Hundebesitzer diese Fragen meist gewöhnt sind und gern darauf antworten. Und sich natürlich immer über ein Kompliment zu ihren Liebsten freuen! (SE)
4. Jemanden fragen, wo derjenige seine Jacke gekauft hat
Um diese Aufgabe so natürlich wie möglich zu gestalten, suchten wir uns eine möglichst passende Umgebung für die Durchführung. Mitten auf der Straße auf eine Person zu zu rennen und zu fragen, wo sie ihre Jacke gekauft habe, schien uns für die erste Stufe zu „auffällig“. Also gingen wir in’s nächstbeste Bekleidungsgeschäft und legten los. Dies fiel uns im Vergleich zu Übung 1 etwas leichter. Die Reaktionen waren zwar unterschiedlich, doch die gewünschte Auskunft bekamen wir immer. Manche Leute schienen etwas irritiert, antworten knapp und drehten sich dann wieder weg. Andere waren aber sehr offen und freundlich und lächelten auch nett, wenn wir uns noch weiter über Ihre Jacke freuten („Ich suche so eine Jacke schon so lange und die gefällt mir wirklich richtig gut!“). Wir wechselten das Geschäft natürlich einmal – wir müssen aber auch zugeben, dass wir es nicht 10x geschafft haben… wir wollten nicht als die Jacken-Stalker der Potsdamer Innenstadt gelten. (LW)
5. An 10 Passanten Gänseblümchen in der Fußgängerzone verschenken
Für diese Aufgabe standen wir bei der Vorbereitung bereits vor einer kleinen Herausforderung: Ähnlich wie bei den Hunden erging es uns auch mit den Gänseblümchen: man sieht sie überall und ständig, nur wenn man sie braucht sind sie nicht da. Zugegebenermaßen ist die Innenstadt auch nicht der beste Ort, um danach zu suchen. Wir stiegen also kurzfristig auf Löwenzahn um. Diese Übung verdiente zum Beispiel auch nicht ihren Platz als schwierigste der Übungen. Es war anfangs zwar auch eine kleine Überwindung einfach auf eine Person zu zugehen und Ihnen ein Blümchen entgegenzustrecken, doch war dies deutlich einfacher als nach die Frage nach einer Empfehlung. Außerdem war dieses Gefühl nach zwei, drei Mal dann auch überwunden. Enttäuschender waren hier die Reaktionen der Passanten: Keiner wollte ein schönes, gelbes Blümchen haben. ☹
Wir überlegten, ob es vielleicht doch am Löwenzahn lag (und nicht an unserem fehlenden Charme) und begaben uns also erst nochmal auf die Suche nach Gänseblümchen. Am Bassinplatz wurden wir fündig und fanden dann tatsächlich auch noch eine freundliche Abnehmerin. (LW)
…Und nun?
An einem späten Mittwochnachmittag in Potsdams Brandenburger Straße sind doch nicht immer so viele Hunde unterwegs wie erhofft. Und ein Kompliment für eine beneidenswerte Jacke lässt sich leichter bei entsprechendem Ambiente machen (die Filiale einer schwedischen Modefirma hat sich durchaus als passende Kulisse erwiesen).
Wir waren darauf angewiesen, dass die Leute uns mit Wohlwollen begegneten und ein wenig Muße hatten – zum anderen waren die Anforderung doch höher oder eben niedriger als erwartet, die Aufgaben manchmal zu frei, manchmal zu speziell.
Doch ein kleines Fünkchen Hoffnung bleibt: Vielleicht gibt es ihn doch, den In-Vivo-Passanten unserer Träume.
Eure
SE, LW und AJ
Die originelle Überschrift hat mich direkt angelockt euren Beitrag zu lesen! Ich finde ihr habt einen sehr sympathischen Text geschrieben. Man kann sich direkt hineinversetzen.
Mir gefällt gut, dass ihr die Ziele so konkret ausformuliert habt!
Über eure Erfahrungen zu lesen fiel äußerst leicht, da es sehr amüsant geschrieben ist.
Euch schien ebenso viel an der Natürlichkeit einer Situation zu liegen, dies wurde auch mir und meiner Gruppe ein großes Anliegen beim Erledigen der Aufgaben.
Warum höre ich eigentlich AJs Lachen, während ich den Text lese. Was ist da los…
Tatsächlich stelle ich mir vor, dass ihr eine Menge Spaß hattet und euch keine Sekunde wirklich gefürchtet habt. Vielleicht habt ihr dem einen oder der anderen ein bißchen Angst mit eurer Fröhlichkeit eingejagt. Frau Hundehalter wird die Geschichte zur Begegnung mit drei seltsamen Grazien sicher spätestens zum Abendbrot aufgetischt bekommen. Und nach all unseren Gruppen-Encountern in Potsdams Innenstadt werden sicher urbane Mythen entstehen, von dem Sommer, indem hysterische Mädchengruppen wilde und seltsame Rituale vollzogen, immer wieder mal auftauchten und schließlich wie ein Spuk wieder verschwanden…
Ich hätte nicht erwartet, dass die Menschen nicht gerne Blumen geschenkt bekommen. Aber vielleicht lag es wirklich am Löwenzahn… die Stengel haben ja so einen klebrigen Saft,der auf der Haut und auf Stoff braune, hartnäckige Flecken hinterlässt 😉