Supermarktbegegnungen, vergeilte Pflanzen und der heilige USB-Stick

Hallo ihr Mutigen,

Teil 1 von 3 ist nun, nach einem wunderschönen und sonnigen Tag in der Brandenburger Straße und am Neuen Palais, erledigt. Rückblickend können wir sagen, dass es eine größtenteils echt positive Erfahrung war.

Lächle fremde Personen an

RH: Unsere erste Aufgabe, fremde Menschen anzulächeln, was wir so ziemlich den ganzen Tag über erledigten (und bei Sonnenschein gibt es sehr viele fremde Menschen in Potsdam!!), kostete mich selbst noch nicht besonders viel Überwindung – die Reaktionen waren auch größtenteils erfreulicher Natur, die Bevölkerung als Ganzes scheint sich über einen freundlichen Blickwechsel mit angehobenen Mundwinkeln zu freuen und schenkt auch gerne mal ein Lächeln oder sogar ein breites Grinsen zurück – Ausnahmen (Wegschauen oder irritierte Blicke) bestätigen die Regel.

SK: Vor dieser ersten Aufgabe hatte ich angenommen, dass mir diese nicht sonderlich schwer fallen wird. Die Schwierigkeit bestand eher darin, den dafür notwendigen Blickkontakt aufzubauen, da viele fürchterlich beschäftigt waren. Das bemerkenswerteste Zusammentreffen spielte sich in einem Supermarkt um die Ecke ab: Dort lief ich euphorisiert von den vorherigen positiven Resonanzen durch die Gänge und lächelte einen älteren Herren im Vorbeigehen an. Er fragte mich daraufhin misstrauisch, ob ich etwa gerade über ihn gelächelt hätte. Deshalb erklärte ich schnell, dass ich ihn tatsächlich einfach angelächelt habe. „Und wieso?“ Einfach so. Er schaute sehr überrascht und lächelte dann, nachdem er sich noch einmal vergewissert hatte, dass das der Wahrheit entsprach. „Das sollten sie sich unbedingt beibehalten!“ bemerkte er und stiefelte sichtlich besser gelaunt davon. Während unserer Unterhaltung hatte ich eine Frau bemerkt, die sich sehr konzentriert mit den Tomatenpreisen auseinanderzusetzen schien, aber bei der Wendung unseres Gesprächs sehr schmunzeln musste und mir im Nachhinein sagte, dass ich jemanden gerade wohl sehr glücklich gemacht habe.

Tausche dich von der Büroklammer zum Motorrad

Aufgabe Numero due hingegen war schon ein wenig schwieriger – leider war die Bereitschaft in der Brandenburger Straße, sich auf Tauschgeschäfte einzulassen, tendenziell eher gering. Häufig wechselten Passanten demonstrativ die Straßenseite, wenn man direkt auf sie zu kam (wahrscheinlich aus Angst, wir würden lästige Flyer verteilen oder etwas verkaufen wollen).

RH: Beretauschgeschäftits beim ersten Versuch mit der Antwort „Keine Zeit“ und einem bösen Blick abgespeist zu werden nahm mir leider schnell meine anfänglich vorhandene Motivation. Dennoch konnten wir insgesamt bei zwei Anläufen jeweils 5 Tauschgeschäfte unternehmen. Beim ersten Durchlauf war leider eher eine Wertsenkung unseres Tauschobjekts zu beobachten, aber Übung macht den Meister: von einem Origami-Kranich zu einer Visitenkarte (Anm. d. Red.: für ein Star Trek LARP), einem Kugelschreiber, einer Packung Feuchtpapier (bereits angefangen), einem Edding und schlussendlich zu einem Flyer. Das Tauschgeschäft wurde von der Jüngeren eindeutig positiver aufgenommen. Deshalb starteten wir am Neuen Palais Versuch 2, der, angefangen bei einem Päckchen Mensa-Salz über diverse Stifte hin zu einer wunderschön glitzernden Haarspange, ein wenig ertragreicher endete.

Mir fiel hierbei auf, dass ich einmal zurechtgelegte Phrasen abspeicherte und häufig mit genau den gleichen Sätzen auf die nächste Person zu ging, die ich bereits zuvor verwendet hatte. Außerdem merkte ich, dass ich nicht wahllos Menschen ansprach, sondern unbewusst die Personen wählte, die irgendwie offener und freundlicher auf mich wirkten.

SK: Ich glaube, dass wir die Passanten häufig verwirrten, da wir den Großteil der Aufgaben parallel ausführten und es somit schonmal vorkam, dass wir mit dem Schild für Aufgabe 3 neben dem Tauscher standen. Außerdem stufte man uns prinzipiell als Schüler ein, da das wohl eine Aufgabe ist, die diese häufiger erledigen müssen und wir wohl ungeheuer jung aussehen. Nun ja. Abschließend haben wir kein Motorrad ertauscht, aber RH ist um eine glitzernde Haarspange reicher und wir haben einer verzweifelten Flyerverteilerin den Tag ein bisschen versüßt (mehr zu ihr in der 3. Aufgabe!).

Tell me what makes you happy

Das Schild war schnell gebastelt und tourifreundlich zweisprachig beschriftet, jetzt benötigten wir nur noch Leute, die bereit waren, ihr Glück mit uns zu teilen. Und das war gar nicht so einfach.

RH: Unser wunderschönes Schild mit der Aufschrift „Erzähl mir, was dich glücklich macht“ zog leider weniger Menschen an als geplant. Daher beschlossen wir kurzerhand, direkt auf Menschen zuzugehen und sie anzusprechen. Auch hier gab es ab und zu Abweisung, und negative Antworten wie „auf so dumme Fragen nicht zu antworten“, gefolgt von sehr unsympatischem Lachen, demotivierten mich zeitweise etwas. Dennoch machte ich die Erfahrung, dass viele Menschen etwas überrascht, aber ehrlich antworteten und ich auch mehrfach dieselbe Frage anschließend zurückgefragt wurde. Sehr häufig wurden wir auch gefragt, wofür das Ganze denn gut sei, wodurch sich ab und zu noch ein kurzer Smalltalk ergab.

13262418_1084866411576349_866458035_oSK: Die Blicke reichten von irritiert über genervt bis freundlich, den Mut, mit uns zu sprechen, hatte zunächst keiner. So waren wir beim ersten Versuch schon fast am Ende der Straße angekommen, ohne jemanden gefunden zu haben, als uns plötzlich eine junge Frau ansprach: „Wollt ihr wissen, was mich glücklich macht? Wenn ich endlich Feierabend habe und nicht mehr diese Flyer verteilen muss!“ Sie erzählte uns weiterhin, dass die Leute ihr eigentlich ziemlich genau das uns schon bekannte Blicksprektrum zeigten. Wir hatten also eine Leidensgenossin gefunden und beschlossen, offensiver vorgehen: Sobald wir feststellten, dass jemand das Schild interessiert las, sprachen wir ihn beherzt an – und siehe da, eine ganze Menge Leute erzählten mir und RH vom guten Wetter, Gesundheit, Schlaf, ihren Partnern, dem furchtbar leckeren Eis, ihrer Arbeit oder eben auch mal nicht Arbeiten gehen.

Mir persönlich ist bewusst geworden, dass die Brandenburger Straße eventuell nicht der geeignetste Punkt für solch eine Aktion ist, da die Leute eigentlich von Anfang an erwarten, dass man entweder Spenden sammelt, einer Sekte angehört oder etwas verkaufen will. Wenn wir sie aber einmal davon überzeugt hatten, dass wir nicht nach ihrer Seele trachteten, bekamen wir in der Regel tolle Antworten und Lob für diese Aktion, was mich persönlich ungemein bestärkt und glücklich gemacht hat.

Highlight: Neben einer Reihe von Italienern und einem Paar in den Flitterwochen entwickelte sich die wohl witzigste Situation, als wir am Neuen Palais dann noch eine Dreiergruppe, die uns wohl allein wegen eines E-Mail-Versprechens lange im Kopf bleiben wird, trafen. Auf unsere Frage hin, was sie glücklich macht, erzählten sie uns, dass wir sie dadurch glücklich machen konnten, ein Foto mit ihnen und einem von einem Freund geklauten USB-Stick vor dem Neuen Palais zu machen. Na dann los!

Pflanzenpflegetipps

RH: Die vierte Aufgabe bereitete mir am meisten Spaß und SK viele hilfreiche Tipps zur Petersilienpflege (Info am Rande: Gärtner im Park Sanssouci sind sich eher uneinig, was solche Fragen angeht und Rentner über 60 sind begeistert, der jungen Generation weiterhelfen zu können; die Sekretärin im ZEIK hingegen nicht so, sie riet uns, doch lieber mal Google zu fragen – ihre Standardantwort? Man weiß es nicht…)

Ein paar schräge Blicke haben wir durch unsere Topfpflanzenausrüstung zwar auf uns gezogen (häufig hielt man sie in Kombi mit unserem Schild auch für Glücksklee), blöde Kommentare gab es bei dieser Aufgabe aber eher weniger. Insgesamt eine witzige Aktion, die ich definitiv wiederholen werde, sollten meine Pflanzen ebenfalls mal nicht so gesund aussehen!

SK: Nachdem ich bei dieser Aufgabe nun fachkundige Tipps von drei Sanssouci-Gärtnern und einer Rentnerreisegruppe erhalten habe, sollte meine ein wenig mickrig aussehende Petersilienzucht demnächst florieren – eventuell sollte ich doch über einen Wechsel ins Petersilienhandelgeschäft nachdenken.

Nur bin ich mir nicht sicher, welche der Anmerkungen ich befolgen soll: Löcher in Boden stechen, damit die Pflanze atmen kann? Aus der Sonne, da sie Sonnenbrand hat? (Kein Witz, sowas soll es geben.) Erstmal radikal alles runterkürzen und dann an die frische Luft, weil Pflanze vergeilt ist? (Auch das soll es geben.) Ich werde das auf jeden Fall in den nächsten Wochen austesten. Einen kleinen Dämpfer gab uns der Zusammenstoß meines Pflänzchens mit der Bustür, was sie leider auf den Boden beförderte. Aber dadurch wurde die Erde bestimmt schön aufgelockert. Positiv denken.

Fremden Leuten ins Gespräch fallen

RH: Mit der letzten Aufgabe habe ich mich etwas überschätzt – mein Fazit des Tages ist, dass es mich keine große Überwindung kostet, fremde Personen freundlich anzusprechen, mich grundlos in fremde Gespräche einzumischen fällt mir allerdings sehr schwer. Eigentlich hatte ich erwartet, die Aufgabe gut in der Bahn durchführen zu können, mir ist jedoch noch nie so stark aufgefallen, wie wenig Kommunikation es in öffentlichen Verkehrsmitteln gibt – das Handy oder der Blick nach draußen scheint die bevorzugte Unterhaltungsmethode zu sein. Die fehlenden Voraussetzungen kamen meinem inneren Schweinehund jedoch ganz recht. Ich selbst habe hierbei für mich beschlossen, in Zukunft zu versuchen, auch mal negative Reaktionen mit meinem Verhalten unter Fremden zu provozieren, auch wenn mir das sicher alles andere als leicht fallen wird.

Als Ersatz beschlossen wir, andere Personen nach ihren Empfehlungen beim Bäcker o.ä. zu fragen. Diese Aufgabe war wesentlich angenehmer, wie ich empfand, und erzeugte freundliche bis höchstens leicht irritierte Reaktionen.

SK: Ich muss zugeben, dass mir von Anfang an nicht ganz wohl mit der letzten Aufgabe war, weshalb ich sie ein wenig an RH abschieben wollte. Als sie kapitulierte, kam uns die Idee mit den Empfehlungen in den Sinn, was mir persönlich sehr leicht fiel. Ich habe mir nämlich vor einiger Zeit angewöhnt, Verkäufer bzw. Barpersonal nach ihren Favoriten unter mir unbekannten Getränken und ähnlichem zu fragen. Als ich letztes Wochenende über den Gratis Comic Tag stolperte und mit den noch erhältlichen, mir unbekannten Comics überfordert war, entwickelte sich sogar ein sehr nettes Gespräch zwischen dem Händler, einer comicvernarrten Fremden und mir. Ich finde, dass diese Technik eine hervorragende Möglichkeit ist, neues kennenzulernen und dem Verkäufer Wertschätzung entgegenzubringen, da man ihm zeigt, dass man Interesse an seiner Meinung hat.

Schlussendlich hatten wir einen wunderbaren Tag mit vielen netten Begegnungen und können als Fazit sagen, dass es Spaß macht, Fremde anzusprechen – wenn man ihnen nicht das Gefühl vermittelt, etwas verkaufen zu wollen 😉

In diesem Sinne adios und bis bald,

RH und SK

7 thoughts on “Supermarktbegegnungen, vergeilte Pflanzen und der heilige USB-Stick”

  1. Merzi für diesen unterhaltsamen Beitrag! Euer Schreibstil ist wirklich höchst lebhaft und es mir echt Spaß gemacht, im Nachhinein an euren Aktionen teilhaben zu können.
    Auch wenn ihr mit eurer Tauschaktion nicht zu materiellem Reichtum gelangt seid – die Glitzerspange ist jawohl sowas von das Motorrad des kleinen Mannes!

  2. Ich hatte ja das Glück euch bei der Erledigung der Aufgaben zu begegnen und auch in der Uni schon ein paar Sneak Peeks zu erhalten. Nun die Ergebnisse eurer Ideen zu lesen war sehr erheiternd:
    1. Habt ihr einen wirklich schönen Schreibstil und mir gefiel es sehr die Erfahrungen von BEIDEN lesen zu können. So habe ich noch mehr Einblick in eure Gefühle bezüglich der Aufgaben bekommen.
    2. Finde ich eure Ideen auch super!!! Großes Lob und weiter so 😉

  3. Ich musste bei eurer ersten Übung schon allein beim Lesen schmunzeln. Ein Lächeln kann so viel bewirken!
    Das erinnert mich auch daran, wie man manchmal gedankenverloren im Bus vor sich hingrinst und sich desssen erst bewusst wird, wenn einen fremde Leute angrinsen oder irritiert anschauen. 🙂
    Und wenn ich mal Petersilienpflege-Tipps brauche, weiß ich ja jetzt an wen ich mich wenden kann! 😉

  4. Die Tauschaktion ist echt super- ist es eigentlich auch erlaubt, Dinge abzulehnen, wenn sie einen Rückschritt bedeuten würden?
    Auch das „Was macht dich glücklich“-Schild ist ein wunderbarer Beitrag, schade, dass keiner auf euch zugekommen ist- wie oft denkt man schon selbst darüber nach, was einen in diesem Moment glücklich macht?

  5. Ihr hattet wirklich wundervolle Ideen! Da sieht man mal, dass man nur mit einem Lächeln einigen Menschen tatsächlich den Tag versüßen kann und auch das „Was macht dich glücklich?“-Schild finde ich super, denn vielleicht habt ihr den Menschen, die sich darauf einlassen konnten, auch damit wieder ein Lächeln ins Gesicht gezaubert!
    Außerdem: Pflanzentipps abstauben ist ja mal auch nicht schlecht! Die könnte ich ebenso gut gebrauchen (;
    Man liest aus eurem Text auf jeden Fall heraus, dass ihr einen erlebnisreichen, coolen Tag hattet! (:

  6. Was für ein wundervoller Beitrag mit tollen Fotos! Die Tauschaktion ist klasse, wobei natürlich der Tausch Edding gegen Flyer wirklich ein Rückschritt ist – aber Ihr Mitgefühl der Dame gegenüber kann ich nachvollziehen. Zumindest kann man aus dem Flyer nun wieder einen Kranich basteln und man ist wieder am Anfang angelangt.

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