Dies war der erste Streich…

Wir erweitern unsere kommunikative Kompetenz. Aha. Und wie soll das gehen? Einfach mal auf fremde Leute zugehen…aber ist das so einfach?
Unser erster Gedanke zu dieser Vorstellung war: „Oh Mann, das wird peinlich!“
War es auch. Teilweise. Aber wir leben noch 😉 …
Um uns langsam heranzutasten, legten wir zunächst eine „To-Do-Liste“ in hierarchischer Rangfolge an – von einfach zu schwer:

1. 10 fremden Passanten so tief in die Augen schauen, dass sich die Augenfarbe erkennen lässt.
2. 8 fremde Passanten beim Entgegenkommen grüßen, als kenne man sie.
3. Nach einer Auskunft fragen.
4. 4 unbekannte Personen im Zuge einer Umfrage befragen.
5. In einen Laden gehen und den Mitarbeitern sagen, dass sie gute Arbeit leisten.

Schon vor der Durchführung stellte sich jedoch heraus, dass wir alle jeweils eine etwas andere Steigerungsreihenfolge gewählt hätte.

 

Hier nun unsere Erlebnisse und Eindrücke zum ersten Streich (In 5 Phasen):

1. Den fremden Leuten in die Augen zu schauen, erwies sich zwar als schwieriger als zuvor angenommen, war jedoch trotzdem noch gut machbar und beim zehnten Menschen schon deutlich leichter als beim ersten. Etwas problematisch an der Sache war, dass man schon recht nah an die fremden Personen herangehen musste, um die Augenfarbe zu erkennen. (Für Leute wie mich, die sich nicht eingestehen wollen, dass sie die Brille manchmal auch außerhalb der Uni tragen müssen, gilt dies ganz besonders.) Um also unschuldigen Passanten nicht in den Weg springen zu müssen, entschieden wir uns für andere Settings als den Bürgersteig. Im Bus, in der Bahn oder auch in der Schlange vor der Kasse lies sich das Vorhaben sicherer und ohne Frontalzusammenstöße realisieren.
Wir stellten fest, dass es nicht bei allen Menschen gleich leicht oder schwer war, ihnen tief in die Augen zu schauen. Bei Kindern z.B. war es recht leicht und nicht unangenehm. Man bekam sogar meist ein Lächeln geschenkt. Bei (gestressten) Erwachsenen hingegen war es manchmal gar nicht möglich, überhaupt einen Blickkontakt herzustellen – viele schauten auch schnell wieder weg. Wenn jemand allerdings tatsächlich dem Blick stand hielt, ist man schnell versucht als erster den Blickkontakt abzubrechen. Teilweise auch schlicht aus Überraschung. Trotzdem war diese Aufgabe nicht unangenehm oder peinlich für uns. Schließlich kommt man auch im Alltag in solche Situationen.
…Und es ist erstaunlich, wie viele Deutsche blaue Augen haben…

2. Fremde Leute freundlich und auch auffällig zu grüßen, war wesentlich schwieriger. Das war uns schon ein bisschen peinlich. Als „DAS LANDEI“ schlechthin, hatte ich vielleicht noch einen Vorteil, da man auf dem Dorf alles und jeden grüßt, teils auch ohne je ein anderes Wort als „Hallo“ miteinander gewechselt zu haben. Wenn ich als Kleinkind einen Familienausflug nach Berlin gemacht habe, grüßte ich breit grinsend und ohne Scham die ganze Fußgängerzone. Leider fiel mir das knapp 20 Jahre später nicht mehr so leicht. Wenn ein Kind das macht, sagen die Leute: „Oh wie süß!“ oder „So ein höfliches Kind“. Wenn eine junge Frau das macht….naja. Wir haben oft gar keine Reaktion bekommen. Manche haben uns nicht bemerkt oder gekonnt ignoriert. Andere schienen kurz zu überlegen, ob sie uns vielleicht kennen, oder drehten sich um – auf der Suche nach der eigentlich gemeinten Person. Doch einige grüßten uns tatsächlich zurück. Vielleicht auch nur reflexartig…oder aus Höflichkeit…oder aus Mitleid.

3. Das war leicht. Nach einer Auskunft zu fragen, ist etwas recht alltägliches und ohne große Überwindung zu bewältigen. Positiv ist uns aufgefallen, dass es viele freundliche und hilfsbereite Menschen gibt, die sich trotz ihres oft ersichtlichen Termindrucks die Zeit nehmen, einen Weg zu beschreiben.

4. Sich eine glaubhafte Umfrage auszudenken, war schwer genug („Persönliche Erfahrungen mit stotternden Personen“). Dann aber auch noch auf die Leute zuzugehen, sie in ihren Tätigkeiten zu unterbrechen und zu befragen, war schon eine echte Herausforderung. Wahrscheinlich hat jeder von uns schon mal eine solche Person abgewimmelt, die die Frechheit besaß, einem auf den Geist zu gehen – mit ihrem Klemmbrett in der Hand und ihren Fragen auf der Zunge. Nun, da wir die andere Rolle dieses Theaterspiels kennengelernt haben, empfinden wir wohl ein wenig mehr Mitgefühl mit den Fragern und versuchen künftig vielleicht bessere Antworter zu sein.
Viele sahen gleich genervt aus und schüttelten nur abweisend den Kopf, oder schlugen sofort einen Bogen um die „Klemmbrett-Frau“. Viele hatten natürlich „gerade jetzt leiiiider keine Zeit“. Einige gingen uns aber tatsächlich ins Netz und waren auch freundlich. Interessanterweise hatten von den vier Personen, die dazu bereit waren, kurz mit uns zu sprechen, drei noch nie selbst einen Stotternden getroffen. Nur eine Frau meinte, sie hätte einmal einen stotternden Kassierer stark bemitleidet und nicht so recht gewusst, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte.

5. Nun zu unserer schwersten Aufgabe. Diese stellte sich jedoch tatsächlich als nicht so schwer heraus, wie die Umfrage. Jemanden zu loben, ist ja eigentlich eine angenehme Erfahrung. Jemanden zu loben, den man überhaupt nicht kennt, ist jedoch auch irgendwie merkwürdig. Man weiß nicht, wie man einleiten soll. Einfach in den Laden gehen, zum Verkäufer sagen: „Sie machen einen super Job! …Tschüss!“ und wieder gehen, kommt nicht so gut. Und wird von dem verwirrten Verkäufer vielleicht gar nicht als ein Kompliment verstanden. Also entschieden wir uns, erst tatsächlich etwas zu kaufen, oder uns beraten zu lassen, damit das Lob auch nachvollziehbar ist. Ich z.B. musste meine Sim-Karte ausstanzen lassen und wurde dabei sehr freundlich in einem Handy-Shop beraten. Da fiel es mir auf einmal sogar sehr leicht, dem Mitarbeiter ein Kompliment zu machen. In dem Moment war es ja auch nicht gestellt, sondern ehrlich gemeint.

Es ist ein schönes Gefühl, jemandem durch Lob eine Freude zu machen – auch wenn es sich dabei um einen Fremden handelt. Tatsächlich ist der Fremde dann auf einmal gar nicht mehr so fremd:
Unser Fazit:

Zwischen Theorie und Praxis liegen Welten. Für den Schwierigkeitsgrad bestimmter Aufgaben ist oft schlicht der Ort oder die Situation entscheidend. Außerdem empfanden wir drei die jeweiligen Aufgaben als unterschiedlich schwer.
Alles in allem war es eine sehr lehrreiche Erfahrung, durch die man sowohl etwas über seine Mitmenschen, als auch über sich selbst lernen konnte.
Leider wollten sich viele Menschen nicht fotografieren lassen, wofür wir allerdings auch Verständnis haben.

 

KB, NS und VO

 

2 thoughts on “Dies war der erste Streich…”

  1. Ein wirklich toller Beitrag mit sehr gelungenen Beschreibungen, sodass man sich in die einzelnen Situationen und in Ihre Gedanken sehr gut einfühlen konnte! Ich freue mich schon auf die nächste Phase.

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