Schau mir in die Augen, Kleines!

„Es gibt eine schöne Offenheit, die sich öffnet wie eine Blume: Nur, um zu duften.“
– Friedrich von Schlegel (1772 – 1829), deutscher Kulturphilosoph, Schriftsteller und Literaturwissenschaftler

Während der Durchführung unserer Aufgaben zur Stärkung der kommunikativen Kompetenz dufteten wir aber  wohl eher weniger nach einer zarten Rose im Morgentau als viel mehr nach einer ganzen Flasche Parfum.
Hier nun unsere Aufgaben mit prägnanter Berichterstattung.

  1. Fremde Leute im Vorbeigehen mit lässigem Handzeichen oder Zwinkern grüßen
    Fremde ohne ersichtlichen Grund zu Grüßen erwies sich als schwieriger als gedacht. Da es nicht in unseren Alltag gehört, auf gewitzte Art und Weise zu grüßen, mussten wir mehr Anlauf nehmen als erwartet, um über unseren Schatten zu springen.
    Die größte Schwierigkeit bestand jedoch darin, mit den Auserwählten Blickkontakt aufzunehmen. Denn dieser ist die Voraussetzung für den Gruß. Selbst nach intensivem Starren unsererseits schauten die Probanden nicht immer zurück. Wenn es uns dann doch gelang und wir zum Gruß kamen, waren die Reaktionen zu unserer Enttäuschung eher verwirrt beziehungsweise verstört als belustigt.

 

  1. Leuten in der Fußgängerzone Komplimente machenLeuten Honig ums Maul zu schmieren ist kein Zuckerschlecken. Wir haben es versucht. Aber so ein Kompliment aufrichtig und überzeugend zu artikulieren ist aus folgendem Grund schwierig: Es liegt in der Natur des Menschen in Nettigkeit noch etwas anderes zu sehen – alles andere wäre ja naiv. ,,Macht die sich über mich lustig? Macht die mich gerade an? Die will doch bestimmt irgendwas von mir.“  Zu denken, dass die Probanden das denken, macht es zu einer gigantischen Hürde mit Wassergraben dahinter, Komplimente zu verteilen. Und wenn die Reaktionen dann tatsächlich so ausfallen wie gedacht, fühlt man sich in seinem Misstrauen gegenüber des Misstrauens bestätigt. Fazit: Das war die schwierigste Aufgabe.

 

  1. Leute bitten, einen Gegenstand mal kurz zu halten (während man sich z.B. die Schuhe zubindet)Die größte Komplikation bei dieser Challenge bestand nicht etwa darin, die Probanden tatsächlich anzusprechen, sondern eine Situation zu konstruieren, die die Bitte rechtfertigt.
    Fahrrad anschließen, sich 15 Meter vom Fahrrad entfernen, Fahrradschlüssel in den Tiefen des Rucksacks vergraben, Arme mit Utensilien bestücken – dabei stets unauffällig sein. In Beobachtungsposition gehen. Sobald der Proband sich in unmittelbarer Nähe des Fahrrads befindet wieder zurückeilen und die eigentliche Aufgabe souverän durchführen. (Die Souveränität läuft Risiko nachzulassen, wenn einem auffällt, dass man ja zwei Fahrradkörbe als Ablagemöglichkeit hat. Der wahre in-vivo-Profi hätte die Fahrradkörbe vorher abmontiert, um maximale Glaubwürdigkeit zu garantieren.)

 

  1. Leute um eine genaue Wegbeschreibung bitten (mit mindestens einmal nachfragen)Easy! Wenn man sich nicht sein ganzes Leben lang an einem Ort aufhält, man kein Smartphone oder keine Endlosakkulaufzeit hat und man nicht im Besitz einer Karte des Rumtreibers deluxe für die ganze Welt ist, kommt man unausweichlich in diese Situation. Demzufolge kostete es uns keine Überwindung, fremde Menschen nach dem Weg zu fragen. Außerdem kennen wir jetzt ENDLICH den Weg zum Schloss Sanssouci. Unangenehm nur, wenn echte Touristen einem ihren Stadtplan überlassen wollen, weil man die Rolle des Hilfsbedürftigen zu gut verkörpert.

 

  1. In der Eisdiele beraten lassen – ausführlichstDiese Challenge war für uns sehr angenehm, da es weder allzu anspruchsvoll war, nervige Fragen zu stellen, noch ein leckeres Eis zu verspeisen -> beides zählt zu unseren Königsdisziplinen. Mittelprächtig war allerdings die offensichtliche Überforderung der Eisfachverkäuferin. Sie scheint nicht oft gefragt zu werden, ob die Basis von Milcheis jetzt wirklich Milch ist oder, ob in Aperol-Eis Alkohol enthalten ist.
    Definitiv nicht die schwierigste Aufgabe.Abschließend lässt sich sagen, dass wir seit Durchführung der Challenges bewusster Blickkontakt auf- und wahrnehmen. Wir haben uns zudem vorgenommen, unser eigenes Misstrauen runterzuschrauben, da uns aufgefallen ist, dass ein dankbares Lächeln eine weitaus angenehmere Reaktion auf ein Kompliment ist als ein verwirrtes Stirnrunzeln.
    Problematisch war allerdings folgendes: Die Wirklichkeit, in der wir die Aufgaben durchführten, war konstruiert und wir fühlten uns deshalb wie Schwindler oder gar dreiste Lügner. Touristen fragen, wie ich zum Schloss Sanssouci komme, ist einfach falsch. Die Omi an der Bushaltestelle darum zu bitten, meine Jacke (die ich nur ausgezogen habe, um etwas in der Hand zu haben) zu halten, während zwei mir bekannte Leute hinter einem Baum warten, ist komisch.Wir haben gelernt: selbst unsere Lässigkeit hat ihre Grenzen.
    Ahoi und bis zum nächsten Mal,

    eure ehrlichen Häute VW, JM und LA

6 thoughts on “Schau mir in die Augen, Kleines!”

  1. Ich fand es sehr amüsant und kurzweilig euren Beitrag zu lesen! Auch konnte ich viele Erkenntnisse, die wir für uns ebenfalls gewonnen haben, wieder erkennen. Schön finde ich euer Resümee, von nun an offener und weniger misstrauisch zu sein um die kleinen Freuden des Alltags mehr wertschätzen und genießen zu können. Ich finde, das sollten wir alle tun.
    In diesem Sinne: Klasse Post! (y) 😀

  2. Es hat Spaß gemacht, euren Beitrag zu lesen! :-). Wirklich schade, dass die Leute ihnen entgegengebrachte Nettigkeiten meist nicht als solche erkennen, sondern eher skeptisch und verunsichert sind. Wir haben ähnliche Erfahrungen gemacht, wollen uns aber nicht davon abschrecken lassen und erst recht so weiter machen! :-).

  3. Finde euren Beitrag super und musste ehrlich gesagt beim Lesen ein wenig schmunzeln, denn mir/uns ging es z. T. genauso. Auch wir haben Leute im Vorbeigehen mit einem Lächeln auf den Lippen und einem freudigen „Hallo“ gegrüßt. Die uns entgegengebrachten Reaktionen waren ähnlich. Dies lag bei uns aber wahrscheinlich auch an der nicht gerade dafür geeigneten Umgebung (Shopping Center ;-)).

    Bin schon auf euren nächsten Beitrag gespannt. 🙂

  4. Ein sehr schöner und kritischer Beitrag. Dass die Situationen zumeist konstruiert sind, liegt natürlich an der Sache selbst. Solange man freundlich bleibt und sich am Ende herzlich bedankt, hat die angesprochene Person aber sicherlicher keinen Nachteil davon. Toll, dass Sie es trotz Bedenken gemacht haben!

  5. Ein wirklich sehr gelungener Beitrag. Mit dem Lügen habt ihr völlig recht, konstruierte Settings hemmen die Offenheit und Spontanität auf Leute zu zugehen.
    Wie Goethe einmal weise sagte: „Es muss von Herzen kommen, was auf Herzen wirken soll.“ 😉

  6. Ich könnte euch fürs nächste Mal natürlich meine geheim Karte des Rumtreibers leihen, falls sie euch mal wieder abhanden kommt! 😉
    sehr witziger Beitrag. Hat Spaß gemacht ihn zu lesen, ihr Hinterm-Baum-Rumtreiber! 🙂

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